Samstag, 13. Februar 2010

Auf verlorenem Posten

Ich hoffe, ihr verzeiht mir diese abgedroschene Einleitung:

Wir schreiben das Jahr 2010, und die alle deutschen Unis sind von der Wirtschaft beansprucht. Alle Unis? Nein, denn eine kleine Gruppe hartgesottener Besetzer hört nicht auf, Widerstand zu leisten.

Ja, es gibt sie noch, die Leute, die im November vergangenen Jahres für Schlagzeilen gesorgt haben und medientechnisch mittlerweile ziemlich von der Bildfläche verschwunden sind. Heute ist, wie sie nicht ohne Stolz angeben, der 94. Tag der Besetzung. Tatsächlich fällt es mir schwer, mir die Uni ohne den typischen "Streikbereich" vorm Hörsaal 1A vorzustellen, in dem die Plakate hängen, in dem die letzten drei Monate nicht geputzt wurde, wo die Besetzenden mit Bier, Club Mate und Musik sitzen und ihre gesellschaftspolitischen Debatten führen.
Jetzt, wo die Vorlesungszeit an der Uni vorbei ist, ist allen klar, dass die Besetzung nicht länger aufrecht erhalten werden kann: Die Universitätsleitung hat den Streikenden offiziell die Duldung entzogen und sie angewiesen, die Räumlichkeiten zu verlassen. Die Besetzer wollen natürlich nicht freiwillig gehen; vielmehr hoffen sie, durch eine polizeilich durchgeführte Räumung noch einmal Medieninteresse auf sich ziehen zu können. Doch auch für sie ist klar, dass das dann der Endpunkt wäre. "Niemand hat die Kraft, den Hörsaal nach einer Räumung wieder neu zu besetzen.", sagt einer von ihnen.
Nun stellt sich nur die Frage, ob die Verantwortlichen im Präsidium tatsächlich eine Räumung veranlassen, oder ob sie die Besetzung lieber ausbluten wollen. Käme es nicht zur Räumung, könnte die Besetzung wohl trotzdem nicht mehr lange aufrechterhalten werden.
Zumindest zeigte das Präsidium genug taktisches Geschick, den Hörsaal nicht an diesem Wochenende zu räumen. Denn zeitgleich findet in Dresden eine Gegendemonstration gegen den Naziaufmarsch statt, an dem sich viele Besetzer beteiligen; deshalb ist der Hörsaal zurzeit nur schach besetzt. Eine Räumung zu diesem Zeitpunkt hätte der Leitung den Vorwurf eingebracht, in gewisser Hinsicht mit den Nazis gemeinsame Sache zu machen.

So oder so endet für diejenigen, die die letzten Monate hauptsächlich im Hörsaal verbracht haben, ein Abschnitt. Sie denken darüber nach, ob im nächsten Semester wieder gestreikt werden soll. Man hat sich ans Leben im Hörsaal gewöhnt, manche haben einen Monat lang täglich dort geschlafen. Dieses Lebensgefühl wollen sie nicht verlieren. Es geht wohl mittlerweile hauptsächlich darum und weniger um konkrete bildungspolitsche Forderungen.

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