Donnerstag, 5. November 2009

Im Fieberwahn

[Dieser Text entstand in Zusammenarbeit mit Nick Flamang für das Campusmagazin FURIOS. Die überarbeitete und gekürzte Fassung ist jetzt online.]

Die Pandemie kommt. Um auch die letzten Studierenden aus ihrem Dornröschenschlaf zu reißen, hat Frank Rosendahl, seines Zeichens Zentraler Pandemie-Beauftragter der Freien Universität, eine Rundmail geschrieben, in der nochmals ausdrücklich auf die Gefahren durch die „Neue Grippe“ hingewiesen wird.
Das Virus A/H1N1, eine Mutation des Erregers der Spanischen Grippe, ist auf dem Vormarsch und hält Deutschland fest im Griff. Seinerzeit steckte die Spanische Grippe ein Drittel der Weltbevölkerung an, 50 Millionen Menschen starben. Die Schweinegrippe könnte somit – hochgerechnet auf die heutige Bevölkerungsstruktur – um die 200 000 000 Menschen in den Tod reißen, das entspricht etwa den Einwohnern Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens zusammengenommen.
Und da behauptet doch tatsächlich Philipp Rösler, der neu ernannte Gesundheitsminister, die saisonale Grippe sei gefährlicher als die Neue Grippe. Wer solche Beschwichtigungen ausspricht und die Faktenlage derart verkennt, sollte noch einmal darüber nachdenken, ob er tatsächlich für das Amt des Gesundheitsministers gewappnet ist. Die Anzahl der Todesfälle durch saisonale Grippe betrug im Jahr 2007 in Deutschland gerade einmal 20 000 – eine wahrhaft zu vernachlässigende Größe im Vergleich zu der ungeheuren Gefahr, die von der Schweinegrippe ausgeht.

Die E-Mail Rosendahls steht als nüchterne Faktendarstellung im krassen Gegensatz zur unglaublichen Propaganda der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft, deren Vorsitzender Wolf-Dieter Ludwig allen Ernstes behauptet, die Berichterstattung über die Neue Grippe sei eine „Inszenierung, mit der die Pharmakonzerne schlichtweg Geld verdienen wollen.“ Was für eine dreiste Unterstellung, wissen wir doch alle, dass in der Pharmabranche gerade die selbstlosen Menschen arbeiten, die alles dafür tun, unser Leben erträglicher zu gestalten.
Glücklicherweise wurde unsere Universität einmal mehr ihrem Namen gerecht und ließ sich nicht von solcherlei Aussagen manipulieren, sondern sorgte unabhängig und frei, wie sie nun einmal ist, schon im Sommer für die Einsetzung einer Pandemie-Arbeitsgruppe. Kurz zuvor gab die WHO, nachdem erwiesenermaßen acht Menschen an der Neuen Grippe gestorben waren, folgerichtig eine Pandemiewarnung heraus.
Doch es ist noch viel zu tun im Kampf gegen A/H1N1: Längst steht nicht genug Impfstoff für alle Deutschen zur Verfügung. Grundlage für die Produktion des Stoffs sind Hühnereier, doch werden diese noch für unwichtige Dinge wie Lebensmittel oder Tetanusimpfstoff verschwendet. Nötig ist die sofortige Einstellung des Gebrauchs von Hühnereiern zu irgendeinem Zweck außer dem der Impfstoffherstellung, denn nur so kann gewährleistet werden, dass der Impfstoff in genügendem Maße für alle Menschen zur Verfügung steht, bevor die Pandemie die Massen ins Krankenbett wirft.
Solche Forderungen lassen sich selbstverständlich nicht von einzelnen Institutionen durchsetzen, aber die FU tut ihr Möglichstes, um auf andere Weise Pandemie-Präventionsmaßnahmen umzusetzen.
So kann man auf der Homepage ein Mitarbeiter-Informationsblatt einsehen, das die notwendigen Maßnahmen zum Schutz vor der Influenza-Pandemie erläutert: Es ist nach Möglichkeit eine Schutzmaske, am besten wohl eine Gasmaske, zu tragen, die Hände sollten ungefähr dreißigmal am Tag gewaschen oder desinfiziert werden und von anderen Menschen ist ein Abstand von zwei Metern zu wahren. Die Benutzung fremder Gebrauchsgegenstände wie beispielsweise Türklinken, Tafelschwämmen oder Toilettenpapier muss außerdem vermieden werden. Im Notfall ist die Universität zusätzlich bereit, ein „PanPack“ (für Pandemie-Packung) zur Verfügung zu stellen, das Desinfektionsmittel, einen Mundschutz sowie einen Spezialschutz für Brillenträger enthält.
Um einen perfekten Schutz zu gewährleisten, wäre es sicher sinnvoll, das PanPack zusätzlich mit einem Selbst-Impf-Set auszustatten, um so den gefährlichen Weg zum Arzt zu verhindern.
Weitere sinnvolle Vorsichtsmaßnahmen sind etwa, die Ernährung umzustellen auf Tiefkühlkost und Konserven, die vor Auftreten des Erregers produziert wurden. Der Kontakt zur Außenwelt kann gefährlich sein, daher empfiehlt es sich, sich in der eigenen Wohnung zu verschanzen, Wasser vor Gebrauch – auch zum Duschen – grundsätzlich abzukochen und ein Air-Conditioning-System einzurichten, damit die Fenster, durch die das Virus die Wohnung infiltrieren könnte, nicht mehr geöffnet werden müssen.
Die Freie Universität sollte sich des Ernsts der Lage vollständig bewusst werden, und, damit diese Vorsichtsmaßnahmen durchgeführt werden können, den Hochschulbetrieb zum Schutz der Studierenden bis auf Weiteres einstellen.

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